Folge 2: Hausverbot!
Shownotes
Sie fahren durch ganz Europa, lassen sich einsperren und manche springen sogar in Delfinbecken – Tierschützer:innen in Deutschland, Europa und der ganzen Welt setzen ihre Sicherheit aufs Spiel, um für die Freiheit von Delfinen und Walen zu kämpfen. Und sie wollen nicht aufhören, bis auch das letzte Delfinarium geschlossen wird. Ihnen gegenüber stehen Menschen, die auch das Beste für die Delfine wollen, deren Kampf aber ganz anders aussieht. Für sie ist Delfinhaltung untrennbar mit Artenschutz verbunden. Sie sind davon überzeugt, dass die Haltung in Zoos das Richtige für die Tiere ist. Die Gegenseite bezeichnen sie sogar als „Extremisten“. Wem geht es hier also wirklich um das Wohl der Tiere?
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Folge 2: Hausverbot
Folge 2: Bett dramatisch
Es ist 2019: Eine Gruppe von Aktivist*innen ist auf dem Weg nach Belgien. Was sie dort vorhaben, ist lange geplant. Ihr Ziel ist das Delfinarium in Brügge. Dort wollen sie gegen die Delfinhaltung protestieren, bis die Verantwortlichen die Show abbrechen.
Es ist 2019: Die Stimmung ist angespannt, als sie am Delfinarium ankommen. Sie schnappen sich ihre Plakate, verstecken sie so gut es geht unter der Kleidung und gehen dann getrennt zum Eingang. Die Aktivist*innen wollen auf keinen Fall erkannt werden. Sie zahlen an der Kasse und bekommen ihre Eintrittskarten. Die erste Hürde ist geschafft.
Sandra Gabriel: „Man merkte schon, dass da irgendetwas falsch lief“
Sandra Gabriel: Sie laufen auf den Sicherheitsdienst am Eingang zu. Ein Aktivist wird festgehalten. Er wurde erkannt. Der Sicherheitsmann fordert ihn auf, das Gelände zu verlassen – sonst ruft er die Polizei. Die Gruppe entscheidet sich, die Aktion abzubrechen. Sie laufen zurück zum Auto, öffnen die Tür, werfen ihre Plakate rein, und fahren schnell los. Richtung Autobahn, Richtung Deutschland.
Sandra Gabriel: Losfahrgeräusche eines Autos, Sirenen
Sandra Gabriel: „Dann kam die Polizei hinter uns her.“
Sandra Gabriel: Richtig gehört, die Polizei. Angeblich mit mehreren Autos, Motorrädern und sogar Sirene. Der Aktivist, der den Wagen fährt, hält an. Er öffnet die Tür und will wissen, was los ist. Die Beamt*innen meinen, sie wollen die Gruppe überprüfen. Sie durchsuchen das Auto, finden aber nichts Verdächtiges. Trotzdem müssen die Aktivist*innen mit auf die Wache. Dort werden ihre Fingerabdrücke genommen und Fotos gemacht. Wie bei echten Verbrecher*innen.
Sandra Gabriel: Atmo Zelle schließt
Sandra Gabriel: „Der Polizeigewahrsam, der Raum, es war extrem kalt. Es war die ganze Zeit hell und man hat keine Uhr. Man hat auch nicht wirklich ein Zeitgefühl.“
Sandra Gabriel: Als sie wieder gehen dürfen, ist es schon dunkel und das Delfinarium hat geschlossen.
Sandra Gabriel: „Wir saßen dann ja auch neun Stunden im Polizeigewahrsam. Mir wurde dann in Brügge auch gesagt, zur Sicherheit des Delfinariums.“
Jörn Kriebel: „Das war für mich, sagen wir mal, ich habe wirklich diese neun Stunden nachgedacht, wie fühlt sich ein Tier, ob das jetzt ein Delfin ist, ob das ein Löwe ist oder so, die in Gefangenschaft leben und das war für mich eine Ewigkeit.“
Jörn Kriebel: Die beiden sagen, sie würden sich jederzeit wieder für die Delfine festnehmen lassen.
Sandra Gabriel: „bis das letzte Delfin-Gefängnis in Europa geschlossen ist.“
Sandra Gabriel: Intro-Musik
Sandra Gabriel: Hi, mein Name ist Erika Balzer und ihr hört das Delfin-Dilemma – ein Podcast vom Verlag Nürnberger Presse.
Sandra Gabriel: In dieser Folge geht es um zwei Gruppen von Menschen, denen extrem viel an dem Wohl der Delfine liegt.
Beide kämpfen auf ihre Weise für den Tierschutz und die Delfine. Aber ihre Ansichten könnten nicht unterschiedlicher sein: Auf der einen Seite sind die Menschen, die mit ganzem Herzen dafür kämpfen, dass Delfine in Freiheit leben können. Menschen, die sich für ihre Überzeugungen sogar einsperren lassen. Immer und immer wieder.
Beide kämpfen auf ihre Weise für den Tierschutz und die Delfine. Aber ihre Ansichten könnten nicht unterschiedlicher sein: Auf der anderen Seite sind Menschen, für die Delfinhaltung und Artenschutz zusammengehören. Die davon überzeugt sind, dass Delfinhaltung das Richtige für die Tiere ist. Dass es den Tieren dort gut geht. Und die die anderen sogar als „Extremisten“ bezeichnen.
Beide kämpfen auf ihre Weise für den Tierschutz und die Delfine. Aber ihre Ansichten könnten nicht unterschiedlicher sein: Trenner
Wir wollen verstehen: Wem geht es hier wirklich um das Wohl der Delfine?
Ihr hört Folge zwei: Hausverbot!
Ihr hört Folge zwei: Autofahrgeräusche, Blinker, Abstellen, Handbremse ziehen. Geräusch von einer sich schließenden Autotür
Reporterin Nina: „Sehr überschaubar hier, aber idyllisch. Hallo!“
Jörn Kriebel: „Immer hoch, immer hoch.“
Reporterin Nina: „Sollen wir die Schuhe ausziehen?“
Jörn Kriebel: „Aaach, alles gut.“
Jörn Kriebel: Treppensteigensound
Reporterin Nina: „Sehr nett, dass das jetzt klappt, dass wir jetzt hier sind.“
Reporterin Nina: Miau einer Katze
Jörn Kriebel: „Ich tu mal die Katze weg“
Jörn Kriebel: Die Katze gehört Jörn Kriebel. Er hat sie und zwei weitere Katzen von der Straße gerettet. Kriebel empfängt meine Kollegin Nina Kammleiter bei sich Zuhause, in der Nähe von Frankfurt. Er ist der Gründer von der Tierschutzgruppe „Save the Ocean“. Und er war auch bei der geplanten Aktion in Brügge dabei.
Jörn Kriebel: Genauso wie Sandra Gabriel. Sie ist ebenfalls ein Teil von „Save the Ocean“. Beide habt ihr gerade schon gehört. Eigentlich wohnt Gabriel in der Nähe von Detmold in NRW. Für das Gespräch mit Nina wäre sie zwar extra drei Stunden zum Treffpunkt gefahren, ihr Auto hat dann aber spontan den Dienst verweigert. Sie ist digital dabei.
Jörn Kriebel: Gabriel und Kriebel kennen sich schon seit Jahren, sie teilen ihre Leidenschaft für Delfine und Wale. Bei Kriebel hat das schon in der Kindheit angefangen.
Jörn Kriebel: „Man kennt die Flipperfilme und so weiter, oder die Serien eher, und in Köln war das, im Freizeitpark, und meine Mutter hat damals gesagt, nein Jörn, du gehst da nicht rein.“
Jörn Kriebel: Jörn Kriebel ist heute 47 Jahre alt. Seiner Mutter ist er dafür dankbar, dass er damals nicht in den Freizeitpark durfte. Weil er die Haltung von Delfinen jetzt strikt ablehnt. Schon als Kind informiert er sich über Wale und Delfine, schaut Dokus und beschäftigt sich mit der Delfinjagd, zum Beispiel der in Japan. Und ist immer mitgenommen, wenn er Tiere leiden sieht.
Jörn Kriebel: „Wenn so ein Drama ist im Fernsehen mit einer Abschlachtung, da kommen schon mal Tränen runter.“
Jörn Kriebel: Und genau deshalb gründet er „Save the Ocean“. Wenn er gerade nicht aktiv für Meerestiere kämpft oder deswegen mit der Polizei zu tun hat, dann arbeitet Kriebel als Anlagebediener. Sogar sein Chef weiß von seinem leidenschaftlichen Kampf.
Bei Kriebel dreht sich im Privatleben einfach alles um Delfine. Auf dem Zahnputzbecher, auf Gläsern, auf dem Spiegel, auf seinem Auto. Überall sieht man das „Save the Ocean“-Logo. Er trägt die Tiere sogar als Tattoo auf der Haut:
Reporterin Nina: „Hast du hier Orcas?“
Jörn Kriebel: „Einen Delfin und einen Orca.“
Reporterin Nina: „Delfin und Orca auf der Hand. Seit wann hast du das?“
Jörn Kriebel: „Vor drei Jahren oder so was.“
Jörn Kriebel: Am Handgelenk trägt der Aktivist mehrere Armbänder, mit Namen von Orcas und Delfinen. Sie alle sind in Delfinarien gestorben.
Reporterin Nina: „Trägst du das immer?“
Jörn Kriebel: „Ja sogar beim OP, die lege ich nicht ab.“
Reporterin Nina: „Also hat das für dich schon eine sehr große Bedeutung?“
Jörn Kriebel: „Ja, natürlich.“
Jörn Kriebel: Ihr hört schon, für Kriebel sind Delfine echt wichtig. Das ist auch bei Sandra Gabriel so. Bevor sie 2019 zu „Save the Ocean” kommt, arbeitet sie für einen Politiker von der Tierschutzpartei im EU-Parlament.
Sandra Gabriel: „Ob mir das mit der Politik zu wenig war? Da kann ich eindeutig Ja sagen. Weil wir so viele Aktionen gemacht haben, auch übers EU -Parlament, über den Abgeordneten, mit Anfragen an die Kommissionen, mit Stellungnahmen und Konferenzen. Und es ist nicht wirklich etwas passiert über das Parlament. Wenn die Politik etwas nicht umsetzen will, dann wird es auf die lange Bank geschoben.“
Sandra Gabriel: Also wechselt sie von der Politik in den Aktivismus.
Sandra Gabriel: Trenner Dramatisch
Sandra Gabriel: Aus Liebe zu den Tieren scheuen die beiden Aktivist*innen kein Risiko. Wie auch im Sommer 2018. Da findet eine ihrer Protestaktionen statt. Sieben Aktivist*innen treffen sich vor dem Asterix-Park in der Nähe von Paris. Ein Freund warnt Kriebel noch bevor sie sich auf den Weg machen. Es gibt nämlich verschärfte Taschenkontrollen. Und das ist ziemlich schlecht, weil irgendwie müssen ja die Plakate durch die Kontrolle kommen.
Sandra Gabriel: Aber Kriebel findet `ne Lösung. Wie er das macht, sagt er nicht. Ist ein Berufsgeheimnis. Kriebel geht als Erstes los, kauft eine Eintrittskarte und wartet auf den Rest der Gruppe. Als alle drin sind, wird’s unruhig. Eine der Aktivist*innen ist sich sicher, dass Kriebel erkannt wurde. Er glaubt das aber nicht.
Die Gruppe geht also weiter zur Delfinshow. Alles läuft nach Plan. Aber zu früh gefreut: Wieder kommt eine Sicherheitskraft und packt einen von ihnen.
Die Gruppe geht also weiter zur Delfinshow. Alles läuft nach Plan. Aber zu früh gefreut: Bett traurig
Aber die anderen Aktivist*innen reagieren schnell und springen über die Absperrung. Sie laufen nach vorne, halten Schilder hoch. Darauf steht sowas wie: „Wir werden jeden Tag ausgebeutet“.
Sandra Gabriel: „Bei Aktionen, da waren einzelne Zuschauer, die dann wirklich auch aufgestanden sind und rausgegangen sind. Oder einer, der noch mir hinterher rief: Das hast du toll gemacht, das wusste ich gar nicht. Die wissen die Hintergründe überhaupt nicht. Dass Delfine eigentlich sehr freiheitsliebend sind und nicht in Gefangenschaft gehören. Oder dass sie teilweise auch ihrer Familie weggenommen wurden.“
Die Aktivist*innen wollen klarmachen: Die Haltung ist nicht gut für die Tiere, sie sollten in Freiheit leben. Sie wollen den Besucher*innen die Augen öffnen.
Die Aktivist*innen wollen klarmachen: Die Show wird tatsächlich abgebrochen und das Publikum wird nach draußen begleitet. Die Protestaktion ist ein Riesenerfolg für Kriebel und seine Gruppe.
Die Aktivist*innen wollen klarmachen: Trenner dramatisch
Die Aktivist*innen wollen klarmachen: Auf dem Weg nach draußen werden Kriebel und ein paar andere von der Security zu Boden gerungen. Dabei bricht er sich drei Rippen, sagt er. Die Aktivist*innen müssen dann mit zum Sicherheitsdienst. Der wirft ihnen vor, dass sie in die Becken springen wollten. Das war jedoch nie der Plan von „Save the Ocean“. Die Gruppe diskutiert also ne Zeit lang, bis sie dann irgendwann endlich gehen darf. Dass eine Aktion so ausgeht, ist keine Seltenheit.
Sandra Gabriel: „Da wollte man mich auch davon abhalten, einfach nur zu filmen und Fotos zu machen, wollte mir die Kamera aus der Hand schlagen und das zeigt ja dann auch, dass sie nicht ganz auf der richtigen Seite sein können. Also wer das abwehren will, muss ja schon etwas zu verbergen haben oder nicht wollen, dass die Leute draußen darüber informiert werden, was mit den Delfinen passiert. Und deshalb jedes Mal, wenn irgendwo eine Aufklärung erfolgreich ist: Ich finde das toll, das ist mehr wert als alles Geld der Welt.“
Gabriel ist also überzeugt: Da steckt mehr dahinter. Sonst hätte ihr bei der Aktion niemand die Kamera aus der Hand schlagen wollen.
Sandra Gabriel: „Und wenn die Delfinarien sagen, das würde zum Tierschutzgedanken beitragen: Das stimmt nicht. Es dient einzig und allein Profitinteressen. Die Unterdrückung, die Ausbeutung der Delfine dient nicht einem Tierschutzgedanken, wie es oft behauptet wird.“
Sandra Gabriel: Die Aktivistin glaubt nicht, dass den Zoos wirklich das Tierwohl am Herzen liegt. Sie wird inzwischen immer wieder erkannt, wenn sie in die Zoos möchte.
Sandra Gabriel: Bett neutral
Sandra Gabriel: Einmal verkleidet sie sich sogar, wird aber trotzdem nicht reingelassen.
So geht’s auch Kriebel als er in den Tiergarten Nürnberg möchte. Wieder einmal schaut ihn jemand vom Sicherheitsdienst misstrauisch an, kramt in seinen Unterlagen und findet: ein Foto von Kriebel. Er steht auf der Schwarzen Liste vom Tiergarten und darf nicht rein. Das war 2016. Kriebel ist also ein bekanntes Gesicht im Nürnberger Tiergarten. Der Tiergartendirektor Dag Encke erteilt ihm auch höchstpersönlich Hausverbot.
In einem Brief schreibt er ihm: „Sehr geehrter Herr Kriebel, das Fotografieren und Filmen meiner Mitarbeiter für private Zwecke ist grundsätzlich erlaubt. Wenn Fotos und Filme meiner Mitarbeiter aber in Zusammenhang mit diskreditierenden Kommentaren oder öffentlichen Kampagnen gebracht werden, in denen ihnen direkt oder indirekt bei der Ausübung ihrer Arbeit Tierquälerei unterstellt wird, greift meine Fürsorgepflicht.“
Jörn Kriebel: „Also ich darf als Tierschützer Fotos machen, auch von Tierpflegern. Und da wurde dieses Hausverbot wieder aufgehoben.“
Jörn Kriebel: Er darf also wieder in den Tiergarten. Und dort wird er wohl auch in Zukunft wieder auftauchen.
Reporterin Nina: „Nürnberg züchtet ja aktuell nicht, hat aber vor wieder zu züchten, sobald die Baustelle beendet ist an der Lagune und an Delfinarium, was sagst du dazu, wenn Du das hörst?“
Jörn Kriebel: „Wir kämpfen weiter. Wir kämpfen weiter, dass das nicht passiert.“
Jörn Kriebel: Übrigens fordert auch der Deutsche Tierschutzbund ein Zuchtstopp für Delfine. Delfinarien seien nicht in der Lage, die Bedürfnisse und natürlichen Verhaltensweisen der Tiere zu erfüllen. Kriebel sieht das genauso.
Jörn Kriebel: „Egal, welches Delfinarium, wie die das bauen. Das ist nicht artgerecht.“
Jörn Kriebel: Warum Menschen so gegen Delfinarien und vor allem gegen Shows sind, liegt auch an den Eigenschaften der Tiere. Delfine sind nämlich ziemlich intelligent.
Jörn Kriebel: Es gibt Studien, die zeigen, dass Delfine positive und negative Emotionen haben, ein Selbstbewusstsein entwickeln, und ihr Verhalten steuern können. Delfine erkennen sich untereinander und haben außerdem die Fähigkeit, sich gegenseitig mit Respekt oder sogar mit offener Zuneigung zu begegnen.
Aber der wohl ausschlaggebende Punkt für Tierschützer*innen: Delfine empfinden Leid, sowohl körperlich als auch psychisch.
Sandra Gabriel: „Man soll die Hoffnung bekanntlich nicht aufgeben, ich gebe sie auch nie auf, egal bei welchem Thema, dass vielleicht auch mal in Deutschland die Politik ein bisschen mehr einwirkt und vielleicht auch dahingehend den Tierschutz mehr berücksichtigt und eben nicht nur die Profite einiger weniger, beziehungsweise die einzelnen Städte, die dann auch davon profitieren. Das könnten sie auch auf andere Weise machen, als diese liebenswerten Tiere so auszubeuten und zur Belustigung wie Clowns vorzuführen.“
Sandra Gabriel: Gabriel und Kriebel sagen, die Tiere werden doch eigentlich nur zu Unterhaltungszwecken missbraucht. Für uns Menschen.
Sandra Gabriel: Trenner Neutral
Sandra Gabriel: Aber das sehen natürlich nicht alle so, die sich mit Delfinen auseinandersetzen. Es gibt da jemanden, der sich zwar auch als Tierschützer sieht, aber für genau das steht, gegen das Kriebel und Gabriel kämpfen.
Wolfgang Rades: „Mein Name ist Wolfgang Rades, ich bin Diplombiologe und bin seit vielen Jahrzehnten schon im Natur- und Artenschutz und auch in der Tiergartenbiologie aktiv.“
Wolfgang Rades: Als Artenschutzbeauftragter eines Zoos auf Teneriffa ist Wolfgang Rades nicht immer auf der Insel. Er lebt eigentlich in Hessen und fliegt zwei bis drei Mal im Jahr in das spanische Urlaubsparadies. Früher, als er noch Zoodirektor war, hat er vor Ort gearbeitet.
Wolfgang Rades: „Ich kenne die Tiere, zumindest die exponiertesten Tiere, kenne ich zum Teil noch mit Namen. Aber das ist bei über 10.000 Tieren insgesamt nicht ganz so einfach. Ich kenne aber insbesondere die Pfleger, Tierärzte und das Management, die sich mit den Tieren unmittelbar auseinandersetzen, sodass ich mir sofort einen Einblick verschaffen kann in die Haltungsbedingungen der Tiere.“
Mehr als 400 Tierarten leben dort: Der Loro Park auf Teneriffa ist riiiiesig. Dort gibt’s Shows mit Papageien, Robben, Delfinen – und sogar mit Orcas, sogenannten Killerwalen. Für Rades steht der Artenschutz bei seiner Arbeit im Vordergrund. Auch wenn Orcas und Große Tümmler gerade nicht vom Aussterben bedroht sind. Das kann sich in Zukunft ja ändern. Und darauf möchte man sich jetzt schon vorbereiten.
Wolfgang Rades: „Das heißt, wir verstehen Zootierpopulationen, auch von weniger gefährdeten Arten, durchaus als Backup, als genetische Reserve in menschlicher Obhut. Das zweite ist, dass diese Tiere natürlich, und da soll man auch aus seinem Herzen keine Mördergrube machen, eine große Attraktion darstellen.“
Wolfgang Rades: Bett
Wolfgang Rades: Die Tiere spulen mehrmals täglich unzählige Kunststücke ab. Der Loro Park verfolgt damit einen bestimmten Auftrag.
Wolfgang Rades: „Wir verstehen uns als außerschulischer Naturschutz-Lernort. Aber wir können die Leute nicht dazu zwingen, in ihrem Urlaub in die Schule zu gehen. Also holen wir sie im Sinne des „Edutainment“ ab. Das heißt, Education verpackt in Entertainment. Und bei diesem Entertainment haben die Tiere halt auch sehr sehr viel Spaß, weil die als soziale Tiere ähnlich interagieren wie ein Hund mit seinem Herrchen.“
Wolfgang Rades: Es geht also nicht nur um die Unterhaltung, die Leute sollen dabei auch was lernen. Beim Publikum kommt das gut an.
Wolfgang Rades: „Die lassen sich in der Regel begeistern. Bis dahin, dass sie, wie ich persönlich, immer noch Gänsehaut bekomme, wenn man eben sieht, wie toll die Tiere eben insbesondere mit den Trainern interagieren.“
Wolfgang Rades: Rades ist überzeugt davon, dass die Shows den Delfinen Spaß machen. Die Aktivist*innen von „Save the Ocean“ sind das nicht.
Sandra Gabriel: „Gerade bei Delfinen, mit die intelligenteste Tierart der Welt in Gefangenschaft, die gezwungen werden, Kunststückchen vorzuführen, obwohl das gar nicht ihrem Naturell entspricht. Sie werden der Natur entrissen.“
Wolfgang Rades: „Sie merken es den Tieren an, die machen mit. Und zwar machen sie freiwillig mit.“
Wolfgang Rades: „Wenn die keine Lust haben, zeigen die ihrem Trainer den Stinkefinger. Kein Tier wird dazu gezwungen, irgendwas mitzumachen. Ich darf Ihnen sagen, die einzigen, die bei unseren Tierpräsentationen gestresst sind, da sind die Trainer. Weil die möchten nämlich möglichst gute Tierpräsentationen durchführen.“
Die Tiere sollen mit Liebe und Respekt behandelt werden. Deswegen hat Rades Verständnis für Aktivist*innen. Also, wenn es ihnen auch wirklich um den Tierschutz geht. Die Tiere im modernen Zoo dürfen auf keinen Fall zu “Karikaturen” ihrer Selbst verkommen. Soweit sind sich Tierpfleger*innen und Aktivist*innen einig. Aber während Aktivist*innen für die Delfine ein Leben in Freiheit fordern, versteht Rades artgerechte Tierhaltung anders:
Wolfgang Rades: „Ich betone, und da muss ich einigen Leuten, die sehr emotional agieren und teilweise auch populistischen Kampagnen auf den Leim gehen, da muss ich schon ein bisschen aufklären. Weil also erst mal dieser Slogan: Artgerecht ist nur die Freiheit. Den würde ich so niemals teilen. Was ist denn artgerecht? Artgerecht in der Freiheit. Freiheit sage ich gar nicht, weil es gibt die Freiheit in der Natur eben auch nicht, weil es unsichtbare Grenzen gibt für die Tiere. Die Grenzen sind zum einen durch soziale Konkurrenz, zum anderen durch Nahrungs- und Wasserverfügbarkeit, durch Räuber, durch Krankheiten und dergleichen. Alles Dinge, die wir im Zoo ausschalten. Eine artgerechte Haltung von Eisbären im Zoo zum Beispiel würde bedeuten, ich würde sie mit Robben füttern.“
Zu den Haltungsbedingungen früher hat er ´ne klare Meinung:
Wolfgang Rades: „Die möchte ich heute nicht mehr haben. Also die Haltungsbedingungen waren wirklich schwierig.“
Heute gehe es den Tieren viel besser: Sie werden individuell betreut und je nach ihren Bedürfnissen ernährt. Außerdem werden Delfine so trainiert, dass sie Vertrauen zu den Pfleger*innen entwickeln. So ist die Gesundheitskontrolle auch einfacher.
Wolfgang Rades: „Wir möchten, dass es den Tieren bei uns gut geht. Dazu gehört auch, dass sie im Laufe ihres Lebens mal die Möglichkeit haben, als soziale Tiere sich ein-, zwei-, dreimal fortzupflanzen, Mutter zu werden.“
Damit die Tiere aber nicht unkontrolliert Nachwuchs bekommen, müssen Tiergärten vorsorgen: Entweder sie trennen Männchen und Weibchen phasenweise oder sie geben ihnen Medikamente. Das funktioniert ähnlich wie beim Menschen, erklärt uns Rades.
Damit die Tiere aber nicht unkontrolliert Nachwuchs bekommen, müssen Tiergärten vorsorgen: Die Delfine bekommen aber nicht nur Medikamente zur Verhütung - Auch Diazepam, das sind Psychopharmaka. Diazepam wirkt beruhigend, angstlösend und muskelentspannend. Die Tierschutzorganisation PETA wirft den Tiergärten vor, dass die Medikamente verabreicht werden, um die Tiere ruhig zu stellen.
Einspieler von „Hallo Deutschland“: „In einem bei Tierschützern umstrittenen Delfinarium in Nürnberg werden die Delfine angeblich mit Psychopharmaka ruhiggestellt.“
Einspieler von „Hallo Deutschland“: Das berichtet „Hallo Deutschland“ 2012. Der Nürnberger Tiergarten setzt das Medikament nach eigenen Angaben bei den Delfinen hauptsächlich zur Appetitanregung ein. Darüber werden wir aber später noch genauer sprechen.
Einspieler von „Hallo Deutschland“: Jörn Kriebel glaubt das jedenfalls nicht
Jörn Kriebel: „Diese Beruhigungstabletten dienen eigentlich nur dazu, dass man ruhiger bleibt. Und das dient ja nicht, dass ein Delfin oder ein Orca, dass der mehr Appetit hat oder so was ähnliches. Dass sie ruhiger bleiben, dass sie sich nicht gegenseitig bekämpfen. Was ich jetzt weiß, dass die Delfine in Nürnberg, dass die alle die Zähne drinnen haben. Aber man sieht auch diese Bissspuren.“
Reporterin Nina: „Dass sie sich gegenseitig beißen?“
Jörn Kriebel: „Also die alten Narben davon. Es gibt viele Länder, die tun bei Orcas oder bei Delfinen das alles abhobeln, die ganzen Zähne, dass die Zahnhälse frei sind und dass sie sich nicht gegenseitig beißen können, jetzt sagen wir mal.“
Jörn Kriebel: Dass den Delfinen wirklich die Zähne abgehobelt werden, konnten wir in der Recherche übrigens nicht bestätigen, zumindest nicht für deutsche Delfinarien. Die Verantwortlichen der Tiergärten bezeichnen den Vorwurf als „Humbug“.
Jörn Kriebel: Trenner
Wir gehen nochmal zurück nach Teneriffa, zu den Delfin-Shows im Loro Park: Dort steigen die Trainer*innen mit zu den Tieren ins Wasser. Das ist sehr umstritten. Artenschützer Rades ist aber ein großer Fan davon.
Wolfgang Rades: „Ich hatte das vor Loro Park auch noch nie gesehen. In Deutschland macht man das nicht, diese Wasserarbeit. In Nürnberg, in Duisburg machen sie es nicht. Und ich darf Ihnen sagen, ich bedauere das. Ich persönlich finde es toll, wenn ich sehe, wie wir Menschen in das für uns fremde Element gehen.“
Was Rades allerdings gar nicht so toll findet: Wenn Aktivist*innen in die Becken springen.
Wolfgang Rades: „Ich muss dazu sagen, also das ist absolut übertriebener Aktivismus. Solche Leute, das sind Extremisten.“
Wolfgang Rades: Bett dramatisch
Eine Tierschutzgruppe, die „Vegan Strike Group“, tut genau das, was umstritten ist und was Rades sogar als extremistisch bezeichnet: Sie springen in Delfinbecken.
Peter Janssen: „Of course, we are crossing the law, so it's not allowed to go in the water. But for us, it's not allowed to abuse the animals and we will not accept that this is going on. And that's the reason that we cross the limit of the law.”
Das ist Peter Janssen. Er ist 38 Jahre alt, wohnt in den Niederlanden und arbeitet für die „Vegan Strike Group“. Er weiß natürlich, dass es nicht erlaubt ist, zu den Delfinen ins Wasser zu gehen. Und dass sie damit Grenzen überschreiten. Die Gruppe nimmt das aber in Kauf. Es sei schließlich auch nicht erlaubt, Tiere zu quälen, argumentieren die Aktivist*innen. Janssen und die anderen Vegan Strikers riskieren noch viel mehr als „nur“ einen Regelverstoß: ihr eigenes Leben. Sie steigen nämlich nicht nur in Delfinbecken, sondern gehen zum Beispiel auch zu Stierkämpfen in Spanien.
Das ist Peter Janssen. Er ist 38 Jahre alt, wohnt in den Niederlanden und arbeitet für die „Vegan Strike Group“. Er weiß natürlich, dass es nicht erlaubt ist, zu den Delfinen ins Wasser zu gehen. Und dass sie damit Grenzen überschreiten. Die Gruppe nimmt das aber in Kauf. Es sei schließlich auch nicht erlaubt, Tiere zu quälen, argumentieren die Aktivist*innen. Janssen und die anderen Vegan Strikers riskieren noch viel mehr als „nur“ einen Regelverstoß: Janssen war schon mehrmals im Krankenhaus, weil er sich bei Aktionen verletzt hat. Ein Armbruch hier, eine Rippenprellung dort… Irgendwie hat er dann doch immer Glück, dass nichts Schlimmeres passiert. Die Vegan Strikers sind weltweit unterwegs. 2017 waren sie auch schonmal im Nürnberger Tiergarten.
Peter Janssen: „The public, yeah, they sit there, we go out, do our clothes out. And the trainers saw directly what we were doing. So the dolphins goes quick to another place.”
Peter Janssen: Das Publikum sitzt auf seinen Plätzen, die Show beginnt.
Peter Janssen: Bett spannungaufbauend
Peter Janssen: Das heißt auch Showtime für die Aktivist*innen. Sie gehen Richtung Wasser und ziehen sich bis auf den Neoprenanzug aus.
Peter Janssen: „And in Nuremberg, it's possible to stay a long time between the stones. So there was no security who will catch us. So we had the time to wait until the dolphins goes away and finally we go in the water and the public goes away.”
Die Nürnberger Delfinlagune ist so gebaut, dass man sich zwischen großen Steinen ganz nah am Beckenrand aufhalten kann. Im Tiergarten gibt es keinen Sicherheitsdienst, der die Aktivist: innen daran hindert ins Wasser zu springen. Sie warten, bis die Trainer*innen die Delfine in ein anderes Becken bringen, um unnötigen Stress für die Tiere zu vermeiden. Erst dann gehen sie ins Wasser.
Die Nürnberger Delfinlagune ist so gebaut, dass man sich zwischen großen Steinen ganz nah am Beckenrand aufhalten kann. Im Tiergarten gibt es keinen Sicherheitsdienst, der die Aktivist: Atmo von Protestaktionen
Die Nürnberger Delfinlagune ist so gebaut, dass man sich zwischen großen Steinen ganz nah am Beckenrand aufhalten kann. Im Tiergarten gibt es keinen Sicherheitsdienst, der die Aktivist: Das ist ihre Art des Protests. Ihr Ziel ist es, dass es irgendwann keine Delfin-Shows mehr gibt, nirgendwo.
Peter Janssen: „The violence by dolphins, you don't see that. And that's the problem. You don't see the blood of the dolphin. You don't see the suffering. The suffering is not direct.”
Das Publikum sieht das Leiden der Tiere gar nicht. Das wollen Janssen und die Vegan Strikers klar machen. Genau darum geht es ja auch Jörn Kriebel, Sandra Gabriel und ihrer Organisation „Save the Ocean“. Und trotzdem distanziert sich die Gruppe von solchen Becken-Aktionen:
Sandra Gabriel: „Wenn man reinspringt, könnte theoretisch natürlich immer was passieren. wir wollen den ja nicht schaden, sondern wir wollen ihnen ja helfen.“
Sandra Gabriel: Die Kritik kann Janssen nicht verstehen.
Peter Janssen: „It's strange if other activists are criticize our actions we like to do everything in a very professional way. And if an activist like to do it in another way, he cannot work together with us. We do it in this way.”
Peter Janssen: Die „Vegan Strikers“ werden weiter auf diese Art demonstrieren, um ihr Ziel zu erreichen. Delfine gehören für sie einfach nicht in ein Becken.
Peter Janssen: “You can take an animal out of the nature, but you cannot take the nature out of the animal.”
Peter Janssen: Bett dramatisch
Gabriel, Kriebel, Janssen und Rades – alle wollen das gleiche: das Beste für die Delfine. Auch wenn sie darunter verschiedene Dinge verstehen. Sie alle fasziniert etwas an den Delfinen. Und damit sind sie nicht allein.
Nächstes Mal bei Das Delfin-Dilemma:
Ric O’Barry: „She died in my arms“
Wolfgang Rades: „Das ist Blödsinn. Absoluter Blödsinn. Spätensens da hört es bei mir als Wissenschaftler auf.“
Robin Brosch: „Ich glaube, dass die Kinder sich danach sehnen eine Welt zu sehen, die in Ordnung ist.“
Flipper: „Für mich und meinen Freund Lopaka natürlich gar kein Problem.“
Erika: „Flipper?“
Flipper: „Bingo, ich bin’s.“
Flipper: „Das Delfin-Dilemma“ ist ein Podcast des Verlags Nürnberger Presse. Wenn euch die Folge gefallen hat, dann lasst gerne ein Abo und eine Bewertung da. Und vergesst natürlich nicht, den Podcast weiterzuempfehlen.
Flipper: Autor*innen sind Andreas Hofbauer und Carolin Heilig.
Recherche: Greta Nagel, Lea-Sophie Rohde und Lukas G. Schlapp.
Produktion: Anne-Sophie Reiß, Anton Dietzfelbinger und Inken Thiel.
Social Media: Simon Kirsch.
Showrunner*innen: Alicia Kohl und Robin Walter.
Reporterin: Nina Kammleiter.
Musik und Schnitt: Lukas Graf.
Projektmanagement: Lena Wölki.
Beratung Storytelling: Alexander Gutsfeld.
Beratung Storytelling: Und Host bin ich, Erika Balzer.
Beratung Storytelling: Das „Delfin-Dilemma“ erscheint immer dienstags.
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